Wo fangen wir an? Irgendwann im Oktober 2020 hatte ich – weil Werbung gesehen – mich für den London Marathon 2021 Ballot beworben. Fragt nicht. In dem Wissen, dass für nicht UK-Residents eh kaum Startplätze verfügbar sind. Im Februar kam die Mail mit dem Ergebnis des Ballot. Und da stand dann: you’re in. FCK. Kurzes rumgerenne auf dem Flur und dann die Erkenntnis: Hey. Dieses Jahr finden doch eh keine Massenveranstaltungen statt.
Ja. Ich lache auch immer noch ein bißchen. Da ausser FFM City Triathlon für mich nichts anstand – konnte ich mich tatsächlich an einen Marathon-Trainingsplan machen. So viel laufen. Vor allem die long-runs über 20 KM machten und machen mir auch immer noch zu schaffen. Trotzdem war ich der Meinung ich habe gut trainiert und ich bin bereit.
Wir wollten London gleich mit einem Kurzurlaub verbinden und flogen bereits Donnerstag schon. Wenn man sieht wieviel Aufwand an Tests für die Reise betrieben wird – Schnelltest vor Abflug, PCR-Test innerhalb 2 Tagen nach Einreise – und dann hat sich kein Mensch dafür interessiert. Scheinbar sollte es eine Maskenpflicht in London geben – zumindest in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dran halten tut sich leider kaum einer.
Glücklicherweise haben wir uns dazu entschieden die Startnummer bereits Freitags abzuholen – Samstag gab es wohl stundenlange Wartezeiten – so war ich nach etwa 10 Minuten durch und hatte die Startnummer in der Hand. Yeah. Danach noch durch die Expo. Auch mal erlebt.
Und plötzlich war es Samstag nachmittag. Ok. Zeug hinrichten. Alles 5 mal kontrollieren. Gels, Socken, Mütze, Handy. Letzteres wollte ich eigentlich zu Hause lassen – aber der Veranstalter bestand auf das mitführen eines aktuellen Schnelltestergebnis. Ich muss nicht erwähnen, das es auf dem Startgelände weder eine Maskenpflicht noch eine Kontrolle der Tests gab?! Franzi hat alles noch 18 mal kontrolliert – lief zum dritten mal in den Supermarkt weil irgendwas doch vergessen wurde und organisierte sogar Vaseline für die Oberschenkel. Ohne die Unterstützung hätte ich das alles nie so hinbekommen. Auch schon während der Trainingsphase hat sie mir so viel abgenommen ……… DaZke. :*
Da es im Hotel Sonntags erst ab 8 Uhr Frühstück gibt – wir da aber schon unterwegs sein sollten – wurde halt Toastbrot und Honig im Supermarkt gekauft. Nicht so geil labriges Weißbrot – aber was willste machen. Wir fuhren mit dem Zug nach Greenwich und an jeder Station stiegen mehr Läufer:innen ein. In Greenwich selbst – dann eine schiere Flut an Menschen die zum Startbereich im Park liefen – kurz vor dem Eingang von Franzi verabschiedet und wir wollten uns bei KM 10 am „cutty sark“ sehen. Hat dann nicht so geklappt wie geplant. Aber war ja auch klar. 🙂 An den anderen Stellen habe ich sie leider nicht gesehen und gehört – auch wenn sie dort war. Da besteht Verbesserungspotential in unserer Absprache.
Es gab insgesamt 3 Startbereiche – für jeweils wohl etwa 15.000 Personen. Man wurde im Vorfeld schon in Startwellen eingeteilt und bekam eine Mail mit welchem Zug man ankommen und wann der eigene Startbereich öffnet. Ein reinzecken in eine andere Startwelle war unmöglich und weil ich viel zu früh dran war – stand ich fast 1.5 Stunden blöd rum. Zum Glück hatte ich warme Klamotten dabei. Und dann ging es los. Die Startwelle wurde aufgerufen – alle strömten in den Bereich und man wurde im Pulk zur Startlinie begleitet. Ein unfassbarer Moment. Alles um einen herum ist aufgeregt – aber jede:r hat ein lächeln. Startlinie. Irgendein gebrabbel und los gings. Nicht zu schnell angehen Markus. Nicht von anderen ziehen lassen Markus. Lauf dein Tempo Markus. Jup. Und natürlich hab ich mich ziehen lassen. Mich von der Atmosphäre leiten lassen. Nach 500 Metern ging die Laufstrecke durch Greenwich und ab dem Moment waren an jedem Meter der 42 KM Zuschauer. An jedem.
Ich wollte unter 5 stunden bleiben. Das war mein Minimalziel. Insgeheim hatte ich auf eine 4.40 geschielt – nach 5 und nach 10 KM war ich auf dem Weg zu einer 4.10. Beim KM 15 musste ich eine Toilettenpause machen – die erste Gehpause bis dahin – und merkte: Bub das wird heute nix. Ich habe alles falsch gemacht und musste das später ordentlich büßen. Bei KM 20 läuft man über die Towerbridge. Alleine schon die zwei Kilometer davor waren supportmässig schon wow aber über die Tower Bridge wirst du einfach getragen. Laut Strava war es mein Zweitschnellster Halbmarathon ever. Und dann kam er – der Einbruch. KM 24-27 musste ich jeden KM Gehpausen einlegen – es ging einfach nicht mehr. Selbst langsames Joggen war nicht mehr drin. Zwischenzeitlich hatte ich ehrlich überlegt aufzuhören. Ich habe mir dann die Zeit genommen – zwischendrin mal kurz die Waden gedehnt und dann wirklich in einer 7er Zeit weitergelaufen. Ab KM 30 wurde es wieder besser – wir liefen unter anderen durch Millwall und an den dortigen Pubs natürlich typische englische Fussball-Lads. Geil. Überhaupt waren vor allen Kneipen, Pubs, und sonstigen Einrichtungen immer irgendeine Band oder Lautsprecher oder ne Dudelsack-Combo. Mein Schnitt war mittlerweile bei 6.58 und ich wusste die 5 Stunden schaffe ich nicht.
Ich schrub es schon: Ich habe keine Ahnung wie ein Marathon in anderen Städten abläuft – ich kenne das nur aus Bildern – wenn aber 42 KM lang die Menschen teilweise zweireihig auf beiden Strassenseiten stehen – dann lebt und liebt diese Stadt ihren Marathon. Und das auch noch 5 Stunden nach den Start.
Ich hatte für jeden 5. KM ein Gel dabei und da alle 2 Meilen eine Wasserstation ist – musste ich da auch nix mitführen. Mein Ernährungskonzept ging auf – ich sah wieder mal wie ein Salzfässchen aus – trotzdem Krampffrei – bis KM 38. Da war er dann der verschissene Krampf im Oberschenkel. Wieder rechts ran – Krampf versucht rauszudrücken – und langsam wieder loslaufen. Gleichzeitig gab es einen Regenschauer von etwa 15 Minuten – das hatte es nicht besser gemacht. Die letzten 5 KM waren trotz des Regens für mich wie im Tunnel – Leute an den Strassenrändern supporteten und als dann auf die Strasse am St. James’s Park zum Buckingham Palast eingebogen wird – nur noch Laufen. Treiben lassen, genießen. Noch 600 Meter – ich bin leicht überwältigt – und muss nochmal ein paar Meter gehen – und dann vor mir der Zielbogen. Alter. 42 KM. Ich. Unspektakulär durchs Ziel. Uhr gestoppt. Bissle geheult. Und dann zur Abholung der Finisher-Beutel gelaufen – irgendwer hatte mir noch eine Wärmedecke umgelegt. Im Meet+Greet-Bereich Franzi wieder getroffen und dann habe ich langsam angefangen zu realisieren was da eigentlich die letzten 5 Stunden passiert ist.
Am Schluss stand eine 05:09:48 (mit 43,24km).
Ja. Im nachhinein habe ich nicht konsequent und „hart“ genug trainiert. Und ja. Mancher longrun mehr hätte sicherlich geholfen – trotzdem: Ich habe es geschafft. Ich. Der Bis vor 3 Jahren mehr oder weniger gar keinen Sport gemacht hat. Meine Idee irgendwann mal eine Langdistanz zu machen ist nun zu den Akten gelegt – nochmal einen Marathon? Bestimmt. 🙂
BTW: Andere lassen ihre Medaillen gravieren – ich habe es mir tattowiert. Witzigerweise waren in dem Tattoo-Laden noch mehr Marathon-Menschen mit ähnlichen Ideen. 🙂